Im Fahrrad- und Mobilitätssektor sind Frauen stark unterpräsentiert. Das möchte Isabell Eberlein ändern. Sie ist Co-Geschäftsführerin von velo_konzept und Mitgründerin von „Women in Cycling“ und eine wichtige Stimme der Fahrradbranche. Ein Protokoll über die Initialzündung ihres Engagements, den Gender Data Gap und über die Erkenntnis, dass vielfältige Teams besser sind.
Das Fahrrad ist für mich mehr als nur ein Fortbewegungsmittel. Es bedeutet Freiheit und Unabhängigkeit. Diese Erkenntnis hatte ich schon als Siebenjährige, als ich zum ersten Mal im Fränkischen allein zu meiner Oma ins Nachbardorf geradelt bin. Heute, als Co-Geschäftsführerin von velo_konzept und Mitgründerin von ‚Women in Cycling‘, kämpfe ich dafür, dass Frauen in der Fahrradbranche Freiheit und Gleichberechtigung erfahren.
Als ich in die Branche einstieg, war die Realität ernüchternd. Ich fühlte mich als weibliche Person oft wie ein Alien. Auf der Leitmesse Eurobike etwa gab es nur in jeder zweiten Halle Damentoiletten. Ein stilles Zeugnis der Überrepräsentanz der Männer.
Die Initialzündung für mein Engagement für mehr Sichtbarkeit von Frauen in unserer Branche hatte ich 2019 bei einem CEO-Frühstück auf ebendieser Eurobike. Es waren kaum Frauen anwesend, keine saß auf dem Podium und Wortmeldungen von Frauen wurden ignoriert. Ausgerechnet ein Mann, William David Butler-Adams, der CEO von Kult-Faltradhersteller Brompton, brachte den Stein ins Rollen:
William David Butler-Adams
CEO Brompton
Ich habe anschließend die anwesenden Frauen zusammengetrommelt – das war der Startschuss von „Women in Cycling Europe“. Heute ist daraus ein Netzwerk mit 2500 Frauen entstanden – allesamt mit Bezug zur Fahrradbranche. Wir treffen uns online und auf Veranstaltungen wie der Eurobike. Im Vordergrund steht die Vernetzung, der Meinungs- und Erfahrungsaustausch. Wir lernen so viel von den Frauen-Netzwerken in anderen Ländern. Etwa von unseren Fahrrad-Freundinnen aus Frankreich: „Les Femmes à Vélo“ haben ein Manifest entwickelt, das zum Ziel hat, die Sichtbarkeit von Frauen in der Fahrradbranche zu fördern, mehr Frauen in Führung und mit dem Rad auf die Straßen zu bringen.
Um strukturelle Veränderungen für die Themen Fahrrad und für Frauen auf nationaler Ebene zu erreichen, haben wir in diesem Jahr die Initiative „Women in Cycling Germany“ ins Leben gerufen. Wir bringen Frauen akteursübergreifend zusammen – also alle Frauen, die beruflich mit dem Fahrrad zu tun haben, etwa in den Werkstätten, den Dienstradleasingunternehmen, in der Radverkehrsplanung, im Sport, Tourismus, in den Medien oder an der Uni. Auch der Gender Pay Gap und die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen stehen auf unserer Agenda.
Ein weiteres wichtiges Thema ist für uns der sogenannte Gender Data Gap. Wir haben keine verlässlichen Zahlen darüber, wie viele Frauen in Deutschland im Fahrradsektor arbeiten. In England gibt es eine Studie der Bicycle Association of Great Britain zum Thema Diversity, Equality und Inclusion, die herausgefunden hat, dass nur 8 Prozent der Mitarbeitenden in den Fahrradwerkstätten Frauen sind. Im Marketing, Verwaltung oder Vertrieb arbeiten gut 40 Prozent Frauen. Allerdings schaffen es nur wenige in Führungspositionen. Wir sind überzeugt: Nur wenn wir den Gender Data Gap schließen, können wir etwas bewirken.
Doch wir denken über den „Frauen-Tellerrand“ hinaus. Wir sind uns sehr bewusst, dass es viele andere Gruppen gibt, die in der Radbranche und der Mobilitätsdiskussion vergessen werden – Kinder, ältere oder gehandicapte Personen, Menschen mit Migrationsgeschichte. Als Women in Cycling wollen wir ein Bewusstsein dafür schaffen und so inklusiv und divers wie möglich sein.
Unser Ziel ist es, das Fahrrad ins Zentrum der Mobilitätsdiskussion zu rücken und zu zeigen, dass vielfältige Teams erfolgreicher sind und mehr Spaß machen. Es geht darum, eine bunte, gleichberechtigte Zukunft auf zwei Rädern zu gestalten – für alle.
(Rad)Mobilitätsexpertin
Geschäftsführende Gesellschafterin bei velo_konzept, (Rad-)Mobilitätsexpertin, Speakerin, Moderatorin und Vernetzerin. velo_konzept erarbeitet neue Formate und Methoden für die Mobilitätswende – alles rund um das Fahrrad und zu Fuß gehen und um die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum. velo_konzept organisiert Veranstaltungen wie die VeloBerlin oder Konferenzen wie den Nationalen Radverkehrskongress des Bundesverkehrsministeriums.